Schulpflicht in Österreich: Darf ich mein Kind zu Hause unterrichten?

Wie viele Kinder aus Österreich werden daheim unterrichtet?

Die Zahlen stiegen mit der Pandemie, das geht aus Veröffentlichungen des österreichischen Bildungsministerums hervor.

Während im Schuljahr 2017/18 in Österreich nur 2.222 Kinder daheim von Privatlehrern oder ihren Eltern unterrichtet wurden (die meisten in Wien und Niederösterreich) und sich diese Zahl 2019 nur unwesentlich auf 2.300 erhöhte, stieg sie ab dem Frühjahr 2020 auf zunächst 2.600 und schließlich ab Beginn des neuen Schuljahres im September 2021 auf rund 6.000.

Markus Dekan, Vorsitzender des Verbandes der Elternvereine in Wien (höhere und mittlere Schulen), geht von einem weiteren Anstieg aus. Er vermutet, dass sich die Zahl bei 7.500 bis 8.000 österreichischen Kindern einpegeln könnte, wenn die Pandemie kein Ende nimmt. Die Bildungsdirektion Wien geht von einer ähnlichen Annahme aus.

JahrKinder
2017/182.222
2018/192.300
2019/202.600
2020/216.000

Wie betrachten Fachleute den häuslichen Unterricht?

Es gibt Psychologen und Elternvertreter, die den Zustand inzwischen als kritisch bewerten. Zum Vergleich: In Deutschland etwa ist häuslicher Unterricht nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt. In Österreich hingegen gehört er zum Standard.

Eltern fragen sich immer häufiger: Darf ich meine Kinder zu Hause unterrichten? Die Antwort lautet: Ja, wer seine Kinder lieber daheim unterrichten möchte, um sie nicht in ein möglicherweise mit Corona infiziertes Klassenzimmer zu schicken, der darf das ohne Probleme so halten.

Das war auch schon vor der Coronapandemie gesetzlich erlaubt. Das österreichische Bildungsministerium sieht dementsprechend auch keinen großen Grund zur Sorge. Immerhin ist in Österreich der häusliche Unterricht per Gesetz geregelt. Diese Regelung hat sogar in der Verfassung ihren festen Platz.

Welche Voraussetzungen gelten in Österreich für den häuslichen Unterricht?

Die Erziehungsberechtigten müssen hierfür vor Beginn des jeweiligen Schuljahres ihre Kinder anmelden. Im laufenden Schuljahr ist der Wechsel vom schulischen in den häuslichen Unterricht nicht möglich. Der umgekehrte Weg allerdings steht Eltern und Kindern jederzeit offen. Sie dürfen also auch während eines Schuljahres vom häuslichen in den schulischen Unterricht wechseln.

Was müssen Eltern beachten, die ihr Kind daheim unterrichten?

Das Bildungsministerium in Wien weist die Eltern auf die Probleme hin: Zunächst einmal müssen sie fachlich in der Lage sein, ihre Kinder daheim zu unterrichten. Alternativ müssen sie einen Hauslehrer bezahlen. Zudem benötigen sie praktisch ebenso viel Zeit wie die Schule, also mindestens sechs Stunden täglich. Wer Hausaufgaben vergibt und deren Anfertigung beaufsichtigt, sollte noch mehr Zeitressourcen einplanen. Eine Unterstützung von Lehrkräften gibt es – anders als beim behördlich angeordneten Homeschooling – beim freiwilligen häuslichen Unterricht nicht.

Allerdings könnten sich während der Pandemie solche Phasen durchaus überlagern, worauf die Eltern achten sollten, wenn sie gelegentlich einmal eine Lehrerin um Rat fragen möchten. Für freiwilligen häuslichen Unterricht stellt die Schule normalerweise auch keine Arbeitspakete bereit. Experten des Bildungsministeriums regen daher örtliche Beratungsgespräche für die Eltern an, wenn diese den häuslichen Unterricht planen. Der Lernerfolg ist zu überprüfen, das gehört zur gesetzlichen Vorgabe dazu. Hierfür muss jeder Schüler die sogenannte Externistenprüfung am Ende des daheim verbrachten Schuljahres ablegen.

Warum möchten Eltern ihre Kinder daheim unterrichten?

Hierfür gibt es verschiedenste Gründe, von denen die meisten natürlich auch schon vor der Pandemie existierten:

Eltern von Kindern außerhalb des durchschnittlichen Leistungsvermögens (sehr begabt oder sehr schwach) befürchten, dass ihr Zögling in einer Klasse von 20 bis 30 Mitschüler*innen über- oder unterfordert ist. Der häusliche Unterricht lässt sich einfach punktgenauer auf das Kind zuschneiden. Das kann in günstigen Fällen Zeit sparen. Andererseits können wirklich kompetente Eltern oder ein Privatlehrer gezielt auf Lernschwächen eingehen, um keine Wissenslücke entstehen zu lassen, die sich vielleicht nie wieder schließen lässt.

  • Manche Kinder werden in der Schule gemobbt.
  • Einige Eltern lehnen das staatliche Schulsystem generell als antiquiert ab.
  • Es gibt auch weltanschauliche und religiöse Gründe für den heimischen Unterricht.
  • Während der Coronapandemie sind mehrere Gründe hinzugekommen, so die Angst vor der Ansteckung im Klassenzimmer, aber auch eine Ablehnung der Test- und Maskenpflicht in der Schule.

Was sagen die Kinder zum häuslichen Unterricht?

Hierzu gibt es – bezogen auf den schon immer daheim durchgeführten Unterricht – zu wenige aussagekräftige Erhebungen. Vermutet wird, dass sie uneinheitlich auf das Fehlen der Schule reagieren. Ein in der Schule gemobbtes Kind möchte nicht dorthin zurück. Anderen Kindern fehlen ihre Klassenkameraden, jedoch lässt sich die Peergroup in Freizeitaktivitäten (Sportmannschaft, Musik etc.) kompensieren.

Es gibt auch Kinder, die das Feedback von Lehrern und Mitschüler*innen vermissen. Psychologen, von denen solche Erkenntnisse stammen, betonen unisono, dass es keine statistisch belastbaren Erhebungen zur Problematik gibt, dass sie aber Bedenken wegen der sozialen Entwicklung von Kindern haben, wenn diese ausschließlich daheim unterrichtet werden. Dem steht gegenüber, dass es das Modell des Privatunterrichts im häuslichen Umfeld schon immer gab. Der Adel und gut betuchte Bürgerliche konnten sich über Jahrhunderte nichts anderes vorstellen. Für das Klassenzimmer als Hort der Sozialität sprechen allerdings Erkenntnisse, die während der Pandemie gewonnen wurden: Den Kindern fehlten während des Homeschoolings überwiegend ihre Klassenkameraden. Hierzu gibt es wiederum belastbare Erkenntnisse aufgrund der sehr guten Datenlage. Es wurden ja Millionen von Schüler*innen und Schülern im D.A.CH.-Gebiet ins Homeschooling geschickt. Weltweit waren sogar Milliarden.

Wann lassen sich die Auswirkungen des Heimunterrichts während der Pandemie evaluieren?

Es ist für Forscher, Lehrer und Eltern interessant, welche Auswirkungen das erzwungene Distance Learning aller Schülerinnen und Schüler während der Pandemie hat. Wann wird es hierzu handfeste Ergebnisse geben? Fachleute glauben: Das dauert einige Jahre. Diese These resultiert aus dem schon vorhandenen Wissen, dass Menschen, die beispielsweise krankheitsbedingt irgendein Schuljahr nicht richtig absolvieren konnten, unter Umständen dadurch lebenslänglich in ihrer Bildungskarriere auf eine bestimmte Weise gehemmt sind. Zwingend ist das indes nicht: Es kommt darauf an, mit welchem Ehrgeiz sie das Versäumte später nachholen.

Fazit: Darf ich mein Kind zu Hause unterrichten?

Klare Frage, klare Antwort: Ja, die Schulpflicht in Österreich erlaubt den häuslichen Unterricht. Ein Antrag vor Beginn des nächsten Schuljahres genügt.