Schönheitsideal und Magersucht

Ist unser heutiges Schönheitsideal einer der Gründe für Anorexie gerade bei jungen Frauen?

Anorexie, auch Magersucht genannt, betrifft keinesfalls ausschließlich, aber vor allem junge Frauen. Gerade Mädchen im Teenager-Alter scheinen besonders gefährdet, an Anorexie zu erkranken. Die Ursachen für Anorexie sind vielfältiger Natur und können nicht immer nur auf einen Auslöser reduziert werden. Sehr wahrscheinlich scheint aber, dass das heutige Schönheitsideal die Entstehung einer Magersucht begünstigt.

Das heutige Schönheitsideal und die Medien

Wer Modemagazine aufschlägt oder unsere Promis in Film und Fernsehen bewundert, sieht fast ausschließlich junge, schöne Menschen mit einem ebenmäßigen Gesicht und vor allem mit einer schlanken Figur. Dünne Beine, dünne Arme, betont dünne Taille und kein Gramm Fett zuviel auf den Rippen – so sieht man aus, wenn man es in die Welt der Reichen und Schönen schaffen will. Da gerade junge Menschen, die sich noch selbst nicht wirklich gefunden haben, sich sehr über Prominente identifizieren, scheint es nur logisch, dass derartige Schönheitsideale kritiklos übernommen werden.

Doch es bleibt in den Medien nicht nur bei der Präsentation eines solchen Schönheitsideals. Gleichzeitig wird eine Front gegen die Menschen aufgebaut, die diesem Ideal nicht entsprechen können. Castingshows, in denen Models gesucht werden, erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Besonders Mädchen im Teenager-Alzter hängen fasziniert vor dem Bildschirm, wenn Klum und Co. wieder Nachwuchs-Models casten. Auch hier sieht man in erster Linie überschlanke Mädchen, die als schön gelten.

Ein normalgewichtiges Mädchen hat hier meist keine Chance, denn Normalmaße sind nicht gefragt, wenn Designer Mode kreieren. Natürlich wird von den Sendern aber nicht erwähnt, dass es sich hier um eine Traunwelt handelt und dass bewusst nach fast unnatürlich dünnen Frauen gesucht wird – nach Frauen, die für ihre Figur auf sehr vieles verzichten müssen und unter Dauerstress stehen. Dass kaum jemand, der ein normales Leben lebt, so unnatürlich dünn ist, fällt unter den Tisch. Auch Sendungen, in denen fülligere Menschen bewusst verspottet und vorgeführt werden, finden sich auf immer mehr Privatsendern. Formate, in denen Übergewichtige versuchen müssen, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel abzunehmen, flimmern fast täglich über den Bildschirm.

Der “Held” ist derjenige, dem es unter dem Mediendruck gelungen ist, möglichst viele Kilos zu verlieren – dass das oft sehr ungesund ist und dass dieses Gewicht aus dem Grund auch nicht gehalten werden kann, wird selbstredend nicht erwähnt. Aber auch hier erleben junge Frauen wieder, dass Erfolg und Ruhm offensichtlich nur denen gebührt, die ihre Figur jederzeit unter Kontrolle haben und auch vor Radikalkuren nicht zurückschrecken. Auch so manifestiert sich ein fragwürdiges Schönheitsideal in den Köpfen.

Die Rolle der Pubertät

Studien zufolge erscheinen besonders Mädchen im Pubertätsalter gefährdet, an einer Anorexie zu erkranken. Die Pubertät ist die Zeit des Umbruchs und damit verbunden auch die Zeit der Unsicherheit und der Selbstzweifel: Viele junge Frauen wissen noch nicht, wo sie ihre Rolle im Leben sehen und fühlen sich unverstanden. Gerade in der Pubertät spielt der Faktor des Aussehens auch noch eine große Rolle.

Man will attraktiv sein, um gerade vom anderen Geschlecht wahrgenommen zu werden, man möchte attraktiv sein, um jeden Modetrens mitmachen zu können. Doch was ist attraktiv? In einer Zeit, in der man sich vornehmlich über äußere Werte definiert, gilt meist das als schön und ansehnlich, was man vorgelebt bekommt. Aufgrund des hohen Medienkonsums vieler junger Menschen werden Werte, auch, was das Aussehen angeht, meistens kritiklos von Fernseher und Zeitschriften übernommen.

Sehen junge Mädchen in der Pubertät also immer nur sehr dünne Frauen als Vorbilder und haben dem mental noch nichts entgegenzusetzen, so manifestiert sich ein solches Schönheitsideal schnell in den Köpfen. Diejenigen, die spüren, dass sie zumindest aktuell so nicht aussehen, sind oft gewillt, alles dafür zu tun, um ebenfalls in enge Karottenjeans, bauchfreie Tops und Co. hineinzupassen.

Gesunde Ernährung ist aber gleichzeitig ein Faktor, mit dem viele junge Menschen heute nicht mehr sehr vertraut sind. So ist gerade bei eher labilen jungen Frauen, die unbedingt so sein wollen, wie andere es ihnen vorgeben, der Weg in die Anorexie vorgezeichnet. Die Tatsache, bewusst sehr wenig oder nichts mehr zu essen und schnell an Gewicht zu verlieren, verleiht ihnen ein Gefühl der Kontrolle über sich selbst – ein Gefühl, was gerade in der Pubertät oft nur durch sehr radikale Schritte gewonnen werden kann.

Dass das heutige Schönheitsideal – jung, schön, sehr dünn – viele junge Mädchen sehr beeinflusst, lässt sich insbesondere durch den hohen Medienkonsum und die Rolle der Pubertät erklären. Der Weg in die Anorexie ist vorgezeichnet, wenn immer nur vernommen wird, dass Erfolg und Liebe vermeintlich nur denen zusteht, die extrem schlank sind und kaum etwas essen. Jungen Frauen fehlt hier noch die kritische Distanz zu einer solchen Propaganda der Medien. Dies sollte für die Medien Selbstverpflichtung genug sein, die gesendeten Inhalte sorgfältiger zu überprüfen.